Am 4. Juni 2024 lenkt der 13. „Aktionstag gegen den Schmerz“ der Deutschen Schmerzgesellschaft die Aufmerksamkeit auf chronische Schmerzen, die in Deutschland zwölf Millionen Menschen betreffen. 60 Prozent der Deutschen leiden gelegentlich an Rückenschmerzen. Schmerzpatient Michael L. erklärt, wie ihm Cannabis geholfen hat.
Kurz nach der Teillegalisierung von Cannabis titelten Zeitungen: „Wird Cannabis das neue Ibuprofen 600?“ Gemeint war: Schon lange wird die Pflanze gegen Schmerzen eingesetzt. Bis in die 1930 Jahre war sie in Deutschland in Apotheken erhältlich. Erst mit dem Opiumgesetz (1929) und der folgenden Prohibition verschwand Cannabis aus den Medizinschränken der Deutschen. Seit April ist es wieder erlaubt; Medizinalcannabis auf Rezept sogar schon seit 2017. Laut einer Begleiterhebung wurde es seither zu 73 Prozent im Rahmen einer Schmerztherapie verordnet – zum Beispiel bei Verspannungsschmerzen, Rückenschmerzen, Regelschmerzen, Kopfschmerzen oder auch Endometriose-Schmerzen (Grünhorn berichtete).
Schmerzpatient fühlt sich seit Legalisierung sicher
Für den 30-jährigen Schmerzpatienten Michael L. aus München bedeutet die Teil-Legalisierung von Cannabis einen großen Fortschritt. Seit seiner Jugend und einem mehrfachen Bandscheibenvorfall leidet der pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte wie ca. 60 Prozent der Deutschen unter Rückenschmerzen. Sein Hobby, Handballspielen, musste er aufgeben: „Ich habe alles versucht von Tilidin bis hin zu anderen Opiaten. Geholfen hat mir 2018 Cannabis auf Rezept, aber nur, weil ich einen Arzt hatte, der sich gut damit auskennt. Ich habe keine Nebenwirkungen“. Michael L. kombiniert Blüten, die er im Vaporizer verdampft, und Cannabisextrakte. Im Gegensatz zum Inhalieren der getrockneten Blüten wirken diese ähnlich wie Retard-Medikamente länger und bringen Schmerzpatienten wie ihn besser durch die Nacht. Außerdem wollte der Patient in Bayern, wo das Cannabisverbot besonders restriktiv ausgelegt wurde, nicht durch Cannabisgeruch auffallen: „Das war eine Belastung, da man schnell in ein falsches Licht gestellt wurde“, sagt er. „Ich fühlte mich schlecht behandelt, wenn ich Cannabis im Rahmen meiner Schmerztherapie konsumiert habe – obwohl ich nichts Verbotenes getan habe. Ich bin froh, dass diese Zeit nun vorbei ist und ich mich sicher fühlen darf.“ Heute kann er wieder seinem Beruf als PKA in der Apotheke ohne größere Probleme nachgehen: „Müde oder leicht sediert bin ich nur gelegentlich, mittlerweile bin ich gut eingestellt und mir geht es generell viel besser“, sagt er. So könne er sich wieder mit Freunden treffen und am Sozialleben teilnehmen. Jetzt wünsche er sich, dass sich mehr Mediziner:innen für die Cannabistherapie öffnen, als es vor der Legalisierung der Fall war.
Schmerz-Arzt sieht klare Vorteile in der Cannabistherapie
Wertvolle Erkenntnisse liefert auch der Behandlungsalltag in der Cannabistherapie, wie ihn Dr. Horst Bettstetter täglich erlebt. Der Schmerztherapeut arbeitet am Schmerzzentrum Inn-Salzach, einer interdisziplinären Einrichtung der ganzheitlichen Schmerztherapie: „Mittlerweile habe ich tausende Menschen erfolgreich und mit kaum Nebenwirkungen mit medizinischem Cannabis gegen Schmerzen therapiert”, sagt Dr. Horst Bettstetter. „Bei chronischen Schmerzen, insbesondere Rückenschmerzen, kann medizinisches Cannabis Symptome lindern und die Lebensqualität verbessern – bei deutlich weniger Nebenwirkungen im Vergleich zu Opiaten.“ In einer eigenen Erhebung mit Fibromyalgie-Patient:innen, die unter chronischen Schmerzen am ganzen Körper leiden, verzeichnete Dr. Bettstetter eine signifikante Reduktion der erlebten Schmerzen. Allerdings besteht ein entscheidender Unterschied zwischen Cannabis und Pillen: Es gibt rund 200 Cannabis-Blüten – und jede kann je nach individuellem CBD-, THC- und Terpengehalt anders wirken. Auch auf die passende Dosierung kommt es an. Daher verzeichnet nicht jeder Arzt und nicht jede Ärztin direkt Erfolge. Sie müssen sich ausreichend mit Medizinalcannabis befassen und sich an die ideale Therapie herantasten: „Wichtig ist, sonstige Medikation und Vorerkrankungen zu beachten, um die bestmögliche Wirkung zu gewährleisten und Begleiterscheinungen zu minimieren“, sagt Dr. Bettstetter. Daher lege er viel Wert auf einen guten Austausch mit seinen Patient:innen und empfiehlt ihnen, eventuell mehrere Sorten auszuprobieren. Dazu gibt es Online-Berater wie den Blüten-Finder der Grünhorn-Apotheke, der die passenden Blüten je nach Therapieziel empfiehlt.
Moderate bis starke Evidenz für Medizinalcannabis bei chronischen Schmerzen
Die Forscherinnen Mary Lnych und Penny Whiting haben zahlreiche Studien ausgewertet und kamen zum Ergebnis, dass Cannabis in der Schmerztherapie wirksam und vergleichsweise sicher sein kann. Dr. rer. nat. Nadine Herwig, Leiterin der Grünhorn Academy erklärt: „Studien zeigen eine moderate bis starke Evidenz für die Wirksamkeit von Medizinalcannabis bei chronischen Schmerzen und Potenzial zur Reduzierung von Opioiden. Die Cannabinoide docken am Endocannabinoidsystem im Körper an, wo u.a. das Schmerzempfinden reguliert wird. Auch die entzündungshemmenden Eigenschaften können dazu beitragen, Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität von Millionen von Menschen zu verbessern.“ Da Cannabis bei jedem Menschen ein wenig anders wirken kann und die Studienlage aufgrund des langen Verbots noch Lücken aufweist, ist die Deutsche Schmerzgesellschaft vorsichtig in ihren Empfehlungen: „Als mögliche Einsatzgebiete für cannabisbasierte Medikamente gelten derzeit insbesondere chronische Nervenschmerzen (neuropathische Schmerzen), Spastik (langandauernde Muskelverkrampfung) bei Multipler Sklerose sowie Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen bei Krebserkrankungen unter Chemotherapie.” Neben getrockneten Blüten, die inhaliert werden, gibt es Extrakte und Kapseln zur Einnahme, die die Deutsche Schmerzgesellschaft aufgrund der derzeitigen Studienlage zur Wirksamkeit bevorzugt (ebda.).
Die Grünhorn Apotheke ist der führende Anbieter von medizinischem Cannabis in Deutschland. Jedes dritte Rezept wird in der Leipziger Apotheke eingereicht. Die Neuklassifizierung als Nicht-Betäubungsmittel bedeutet deutlich weniger bürokratische Hürden, da keine Betäubungsmittelrezepte mehr nötig sind. Wie bei anderen Arzneimitteln auch, genügt nun ein E-Rezept: „Damit einhergehend konnten wir eine Verdopplung der Rezepteingänge verzeichnen“, sagt Stefan Fritsch, Gründer und CEO der Grünhorn Gruppe. Vor der Legalisierung und der einfacheren Verschreibung über das Internet gingen viele Patient:innen über den Schwarzmarkt, da Ärzt:innen die Behandlung ablehnten. „Der vereinfachte Zugang hilft im Sinne der Bundesregierung, den Schwarzmarkt auszutrocknen und die Patient:innen mit reinem medizinischen Cannabis in Pharmaqualität zu versorgen, das nicht mit Schimmel, Blei oder Haarspray verunreinigt wurde, wie es auf der Straße häufig der Fall ist“, ergänzt Fritsch.
Für weitere Informationen empfehlen wir den Fachartikel der Grünhorn Academy zum Thema „Cannabistherapie bei Schmerz“ und den Grünhorn Academy Podcast mit Dr. Nadine Herwig und Dr. Bettstetter. Für Interviewanfragen wenden Sie sich bitte an die Unternehmenskommunikation.
Quellen:
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7932947/
- https://rdcu.be/dd6xn
- Whiting, P. F., Wolff, R. F., Deshpande, S., Di Nisio, M., Duffy, S., Hernandez, A. V., Keurentjes, J. C., Lang, S., Misso, K., Ryder, S., Schmidlkofer, S., Westwood, M., & Kleijnen, J. (2015). Cannabinoids for Medical Use: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA, 313(24), 2456–2473.
- Lynch ME, Campbell F. Cannabinoids for treatment of chronic non-cancer pain; a systematic review of randomized trials. Br J Clin Pharmacol. 2011 Nov;72(5):735-44.